Von strategische Wahrheiten und Postfakten

Von Walter Ulbrichts „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“ über die erfolgreichen Kampagnen der Brexiteers bis zu den aktuellen Äußerungen Donald Trumps im US-amerikanischen Vorwahlkampf – es gibt eine Reihe von Beispielen, in der Desinformation und Postfakten eine wichtige Rolle in der strategischen Kommunikation einnehmen. Olaf Hoffjann (Bild) hat kürzlich gemeinsam mit Lucas Seeber und Ina von der Wense ein neues Fachbuch veröffentlicht, das sich dem Thema wissenschaftlich annähert. Im Interview mit PRVA.at stellt der deutsche Kommunikationswissenschafter sein neues Werk vor.


Welche wissenschaftliche Erkenntnis in Sachen Desinformation der vergangenen Jahre ist deiner Meinung nach die aufschlussreichste?

Wer professionell kommunizieren möchte, kommt am Framing-Ansatz nicht vorbei. Wichtig dabei ist: Der Frame, den wir bei einem Thema zuerst wahrnehmen, bleibt im Kopf hängen. Einen Gegenpol dazu aufzubauen, ist nur mit großen Anstrengungen möglich. Deshalb ist es wichtig, dass professionelle Kommunikator:innen langfristig denken und sich bewusst machen, dass man Frames, die man einmal in die Welt gesetzt hat, nicht mehr so schnell los wird.

Was war das skurrilste Beispiel von Fake News, das dir bei der Recherche untergekommen ist?

Welche reale Folgen Fake News haben können, zeigte sich im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 2016. Damals wurde die falsche Geschichte verbreitet, dass Hillary Clinton an einem Kinderpornoring in einer Pizzeria in Washington beteiligt sei. Dieses offenkundig absurde „Pizzagate“ hat eine so große Verbreitung gefunden, dass ein bewaffneter Mann in die Pizzeria stürmte und die Kinder befreien wollte. Der Mann wurde anschließend zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Und damit ist es wohl noch nicht beendet: Erst im vergangenen Jahr befeuerte Elon Musk diese Verschwörungstheorie auf „X“ (vormals Twitter, Anm.) mit einem unterstützenden Kommentar.

Trägt der zunehmende Einsatz von KI-Systemen mehr zu Desinformation oder zu deren Bekämpfung bei?

Wegen der genannten Probleme beim Fact-Checking und bei Richtigstellungen bin ich da eher skeptisch. Was sollten KI-gestützte Systeme hier besser machen als Journalisten und Journalistinnen? Im Gegenteil: Mit KI werden Täuschungen und Fälschungen wie bei Deepfakes technisch noch leichter und perfekter. Das führt natürlich nicht dazu, dass wir jede Fälschung ohnmächtig glauben. Aber ich befürchte, dass unser Vertrauen, zwischen echt und gefälscht unterscheiden zu können, weiter schwindet und damit die Echtheit von Informationen für uns unwichtiger wird. Und damit wären wir endgültig in einer postfaktischen Gesellschaft angekommen.

Olaf Hoffjann, Lucas Seeber, Ina von der Wense (Hsg.): „Strategische Wahrheiten. Desinformation und Postfakten in der strategischen Kommunikation“ // 295 Seiten, 1. Auflage März 2024, Springer VS Wiesbaden // Preis: Printerversion = 87,37 Euro, eBook = 66,99 Euro 

über den autor

Olaf Hoffjann ist seit 2019 Professor für Kommunikationswissenschaft, insbesondere Organisationskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Zuvor hatte er eine Professur an der Ostfalia Hochschule (2011-2019) sowie an der Mediadesign Hochschule in Berlin (2006-2011) inne. Seine Forschungsschwerpunkte sind politische Kommunikation, Beratungskommunikation, Public Relations und Public Affairs.

Buchverlosung *** bereits abgeschlossen ****

Wir verlosen zwei Print-Exemplare des neuen Fachbuches unter PRVA-Mitgliedern. Dafür senden Sie bis Dienstag, 7. Mai 2024, um 13 Uhr ein E-Mail mit dem Betreff „Gewinnspiel Fachbuch" unter Angabe Ihres Namens und der Postadresse an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. // Unter allen Einsendungen von PRVA-Mitgliedern, die uns bis dahin erreichen, ermitteln wir per Zufallsprinzip die Gewinner:innen. // Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

 

 

 

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