Wissenschaft: „Sich verständlich auszudrücken, kann man lernen“
Chronologisch, zuerst die Vorgeschichte, dann ein Überblick über den Status-quo, es folgt eine Beschreibung des Studiendesigns inkl. Forschungsfragen und Hypothesen. Erst dann werden die Studienergebnisse präsentiert, lückenlos und en detail. Mit einer Conclusio und einem Überblick zu gerade laufenden oder geplanten weiteren Forschungsprojekten endet die eineinhalb Stunden dauernde Präsentation.
Wissenschaftliche Vorträge ziehen sich manchmal wie ein Strudelteig, sind gespickt mit Fachvokabular und staubtrocken. Selbst Fachleuten derselben Scientific Community verlangen sie viel Geduld, Ausdauer und Konzentration ab. Personen, die nicht vom Fach sind, haben jedoch kaum eine Chance, einem solchen Vortrag zu folgen. Regina Maria Jankowitsch (Bild) hat sich eingehend mit den Besonderheiten der Wissenschaftskommunikation beschäftigt und den kürzlich erschienenen Praxisratgeber „Sich besser präsentieren. Wirkungsvolle Kommunikation für Wissenschafter*innen“ verfasst. Darin geht es nicht nur um Vorträge, sondern das Fachbuch gibt etwa auch Tipps für Medieninterviews, hilft bei der Vorbereitung auf Hearings oder bietet Unterstützung bei der kommunikativen Begleitung der Drittelmittel-Akquise, die in Wissenchaft und Forschung eine immer zentraler werdende Rolle einnimmt.
Im Gespräch mit PRVA.at verrät die Kommunikationstrainerin, Historikerin und Politologin, welche Wissenschafter:innen auch bei einem breiten Publikum ankommen und wie sich die Content Marketing-Bewegung auf die Vermittlung komplexer Inhalte auswirkt.
Verraten Sie uns ein Best-Practice-Beispiel: Wer schafft es derzeit besonders gut, wissenschaftliche Themen einfach und klar verständlich zu transportieren?
Regina Jankowitsch: „Einige Leute! Peter Klimek, Niki Popper, Andreas Bergthaler, Elisabeth Puchhammer-Stöckl – Interviews mit ihnen sind erhellend, griffig und kompakt. Besonders begeistert hat mich zuletzt Dorothee von Laer aus Innsbruck mit ihren Warnungen und Prognosen. Oder Herwig Kollaritsch, der kürzlich in einer ZIB Spezial erläutert hat, dass gerade die von den Impfskeptiker:innen verschmähte mRNA-Impfung einer natürlichen Immunisierung am nächsten kommt. Ich stelle seit Beginn der Pandemie einen Professionalisierungsschub unter Forscher:innen fest. Sich verständlich auszudrücken, kann man lernen.“
Seit dem Siegeszug der Sozialen Medien sinkt die Aufmerksamkeitsspanne. Erklären Sie in Form eines Facebook-Postings, wie man Hochwissenschaftliches breitenverständlich kommuniziert!
RJ: „Paradigmenwechsel in der Welt der Wissenschaft: Genial ist, wer sich verständlich ausdrückt und kein Fachchinesisch produziert. Drei Empfehlungen aus der Praxis: 1. Kommen Sie rasch auf den Punkt, sonst hört Ihnen keine:r zu, 2. Verwenden Sie gesprochene Sprache, wenig Schwurbel, kurze Sätze, 3. Sprechen Sie an, was passieren kann, soll und wird. Nur dann sind wir Zuhörer:innen betroffen und tun das, was richtig ist. Buchtipp: ,Sich besser präsentieren‘, der erste Ratgeber seiner Art für WissenschaftlerInnen.“
Die Zahl der Menschen, die im Journalismus Fuß fassen, sinkt. In der PR arbeiten hingegen immer mehr. Außerdem vermischen sich die Bereiche. Stichwort: Content Marketing. Wie wirkt sich diese Entwicklung auf die Kommunikation von Wissenschaftsthemen aus?
RJ: „Eher gegenteilig. Wissenschaftskommunikation boomt – das ist einer der wenigen positiven Aspekte der größten Gesundheitskrise seit 1945. Redaktionen verstärken ihre Wissenschaftsteams, Günther Mayr hat eine eigene Sendung bekommen, Mai Thi Nguyen Kims Youtube-Kanal ist ein Quotenhit. Logisch, dass auch PR für Wissenschaft gemacht und gebraucht wird. Zum Content Marketing: Es muss klare Spielregeln und eine Kennzeichnung geben. Trotzdem nimmt uns als Endverbraucher:innen niemand die Verantwortung ab, unser Wissen aus mindestens zwei Informationsquellen zu beziehen. Check, recheck, doublecheck.“