11.02.2022

Appelle reichen nicht, um Impfkritiker zu überzeugen

Warum professionelle Kommunikation der Gamechanger in der Pandemie-Bewältigung ist.

Nach mittlerweile fast zwei Jahren Pandemie-Bekämpfung schwindet das Vertrauen von Bürger:innen in das Krisenmanagement der Regierung mehr und mehr. Und damit auch die Bereitschaft der Bevölkerung, die Coronamaßnahmen mitzutragen. Vor dem Hintergrund hochgeschaukelten Emotionen und Diskussionen rund um die Impflicht sind neue Perspektiven im Kommunikationsmanagement das Gebot der Stunde. Entwickelt und umgesetzt von Expert:innen, die in der dynamischen, vernetzten Informationswelt zu Hause sind und wissen, wie Menschen Medien nutzen.

Inkonsistente politische Botschaften und Auftritte haben die Menschen genauso verunsichert wie die Fülle der täglichen COVID-Informations- bzw. Desinformationsdosis in den Medien. In den Echokammern der sozialen Netzwerke gefangen, nehmen Nutzer:innen hauptsächlich Informationen war, die ihre Meinung bestätigen. Hinzu kommt, dass Wissenschaftskommunikation in Österreich im Gegensatz zu angelsächsischen Ländern ein stiefmütterliches Dasein fristet. Mit Ausnahme einer Handvoll erfolgreicher Vermittlungsformate, wie der „Science Busters“ oder der YouTube-Kanals der Chemikerin Mai Thi Nguyen, existiert im deutschsprachigen Raum keine bewährte Plattform, die wissenschaftliche Inhalte faktenorientiert und verständlich aufbereitet und dabei „rockt“.

Dialog und Vermittlung

Es zählt zu den wenigen positiven Auswirkungen der Pandemie, dass Leistungen der Wissenschaft verstärkt im Scheinwerferlicht stehen und Expert:innen gehört werden. Allerdings sollten dazu auch Kommunikationsfachleute zählen, ist der Dialog und die Vermittlung komplexer Inhalte doch ihr ureigenste Kompetenz. Auch für die Gecko-Kommission wäre diese Expertise eine wichtige Ergänzung!

Zweifelsohne ist wichtig, dass wissenschaftliche Ergebnisse und Infos die Basis für alle Kommunikationsmaßnahmen sein müssen. Die Inhalte aber so aufzubereiten und in einer Art und Weise zu vermitteln, dass sie gehört und verstanden werden, zählt nicht automatisch zur Grundausstattung von Forschenden. Demnach können Virologen auch keine integrierten, professionellen Kommunikationskampagnen konzipieren und umsetzen, die sich am Mediennutzungsverhalten von Rezipient:innen orientieren.

Dilemma der Kommunikation

Zahlreiche Umfragen belegen die hohe Skepsis von Herrn und Frau Österreicher gegenüber Forschenden. Es überrascht daher, dass die Regierung bei der Akzeptanzkommunikation für die Impfung auf das „Prinzip Hoffnung“ setzt – mit der Annahme, dass Menschen alleine durch Appelle überzeugt werden. Was dabei übersehen wurde: Es fehlen wesentliche Parameter für eine gelungene Kommunikation. Bereits in den 1990er-Jahren postulierte Konrad Lorenz dazu das „Dilemma der Kommunikation“, in dem „nicht davon auszugehen ist, dass gesagt auch gehört, gehört auch verstanden und verstanden auch schon einverstanden wäre“. Wie sehr dies für die Impf-Debatte der letzten Monate zutrifft, ist offensichtlich.

Deutlicher kann es nicht mehr werden, dass Impfskeptiker oder -verweigerer für Gegenargumente nicht aufgeschlossen sind, auch wenn diese als „Informationskampagne“ über die Medien oder – wie jüngst von Seiten der Impfkommission vorgeschlagen – in Form von Direct Mailings kommuniziert werden. Wer sich mit seinen Sorgen und Ängsten nicht ernstgenommen fühlt, ist mit derartigen (Werbe-)Botschaften nicht zu erreichen. Zu festgefahren sind die Positionen, zu tief die Gräben, die sich zunehmend durch Familien- und Freundeskreise ziehen.

In der Kommunikationswissenschaft gelten eindimensionale Sender-Botschaft-Empfänger-Modelle längst als überholt. Der einzige Weg, um Einstellungen zu ändern, ist das direkte, offene Gespräch – geführt von geschulten Kommunikationsfachleuten, die sich als Brückenbauer verstehen, Fragen stellen und zuhören können. Tatsache ist, dass es sich beim Impfthema um einen veritablen Interessenkonflikt handelt. Warum also nicht bewährte Mittel aus der Krisenkommunikation und der Konfliktlösung einsetzen und auf Bürgerinnen und Bürger aktiv zugehen? 

Die Kommunikation mit der Bevölkerung sollte grundlegend überdacht und neu aufgestellt werden. Schon im Frühsommer 2021, als die Impfrate deutlich unter den Erwartungen blieb, wäre das angebracht gewesen, aber spätestens seit Auftauchen der Omnikron-Variante und der geplanten Impfpflicht unumgänglich.

Schließlich stünde mit den Test- und Impfzentren eine österreichweit ausgerollte Infrastruktur zur Verfügung, eine personelle Aufstockung mit professionellen Kommunikator:innen vorausgesetzt – optimalerweise in Zusammenarbeit mit dem medizinisch geschulten Einsatzkräften. Mit von „Tandems“ geführten, strukturierten Gesprächen nimmt man nicht nur Sorgen und Ängste ernst, sondern gibt auch Gelegenheit dazu, Fragen zu beantworten. Selbst wenn manche Impfgegner nicht überzeugt werden, so würde dennoch vielen Zweiflern symbolisch die Hand gereicht. Um ihnen eine Alternative zu den digitalen Meinungsblasen aufzuzeigen und es so zu ermöglichen, ihre Einstellung zu ändern.

Erzählen wir Geschichten

Parallel zum Aufbau persönlicher Dialogangebote braucht es eine Neuorganisation der Impfkommunikation in der digitalen Welt: Nutzen wir doch die Kraft des Geschichtenerzählens, des Interesses, das Menschen nach wie vor für die Erfahrungen von andere haben. Kommunikations- und Medienexperten haben ein ganzes Repertoire an Möglichkeiten, um Botschaften und Inhalte so zu vermitteln, dass sie ankommen, ohne zu belehren oder zu belästigen: von Erklärvideos bis zu Audioformaten, die von immer größeren Teilen der Bevölkerung genutzt werden. Mit der Etablierung von Dialogkanälen in der digitalen Welt, wo Argumente und Meinungen – moderiert von geschulten Fachleuten – abgewogen und ausgetauscht werden.

Eine professionell aufgesetzte, mit Kommunikationsexpert:innen umgesetzte österreichweite Dialogkampagne kann zum Gamechanger in der Pandemiebekämpfung werden. Die rund 720 Mitglieder der Vereinigung der österreichischen Kommunikationsfachleute (PRVA) bringen sich gerne mit ihrer Erfahrung und dem Know-how ein, um Brücken über (Meinungs-)Gräben zu bauen und ins Gespräch zu kommen.

Gastkommentar von PRVA-Präsidentin Karin Wiesinger // erschienen in der Printausgabe von „Die Presse“ am 10. Februar 2022 //

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