Heshmatpour über Sinnsuche und Zynismus in "Bullshit Medien-Jobs"
Trotz eines etwas ausgedehnten Bildungswegs – ganze 43 Semester zwischen der ersten Inskription und dem Master-Abschluss – hat Christoph Heshmatpour noch nicht genug und plant, das Thema seiner Masterarbeit in einer Dissertation weiter zu vertiefen. Inspiriert von David Graebers „Bullshit Jobs“ und seinen eigenen beruflichen Erfahrungen führte ihn diese Forschung schließlich zum ersten Platz des Franz-Bogner-Wissenschaftspreises in der Kategorie „Magister-/Masterarbeiten an Universitäten“.
„Bullshit Medien-Jobs? Eine ethnographische Annäherung an die Berufserfahrung von Kommunikationsarbeiter*innen“ // Universität Wien // Betreuerin: Sabine Einwiller
Was haben Sie in Ihrer Arbeit zu den Aspekten Sinnkontruktion, zynische Distanz und Rationalisierung herausgefunden?
Ich habe mich in meiner Masterarbeit mit den Strategien beschäftigt, die Öffentlichkeitsarbeiter*innen anwenden, um ihre täglichen Aufgaben zu bewältigen. PR-Praktiker*innen sind aufgrund der Natur ihres Berufs laufend Wertekonflikten ausgesetzt und bewegen sich routinemäßig in ethischen Graubereichen. Das ist psychisch herausfordernd. Als drei zentrale Bewältigungsstrategien habe ich die Konstruktion eines persönlichen Sinns, zum Beispiel aus persönlichen Beziehungen am Arbeitsplatz, die Rationalisierung des eigenen Handelns als branchenübliche Praxis und die zynische Distanz zum eigenen Beruf durch Spott und Herabwertung identifiziert. Wichtig ist: Kommunikationsarbeiter*innen sind weder dumm noch bösartig, sondern müssen schlicht in den Rahmenbedingungen funktionieren, in denen sie arbeiten. Wenn wir für unsere Arbeit keinen Sinn konstruieren können, können wir auf Dauer unseren Job nicht machen.
Von welchen Wertekonflikten sprechen wir in der PR?
Es gibt doch einige Literatur zu den unauflösbaren Gegensätzen, mit denen PR-Profis täglich konfrontiert sind. Zum Beispiel können die Interessen einer Organisation nie vollständig deckungsgleich mit denen der Gesellschaft oder den persönlichen Ansichten von Kommunikationsarbeiter*innen sein. Branchen-Kodizes machen da einige normative Vorgaben, dass PR-Profis etwa "der Wahrheit verpflichtet" seien oder den Interessen von Öffentlichkeit und Auftraggeber*in in gleichem Maße Rechnung zu tragen hätten. Diesen normativen Vorgaben kann die Praxis nicht entsprechen. Deshalb plädiere ich am Ende meines Textes auch vor dem Hintergrund der die Menschheit in ihrer Existenz bedrohenden Metakrisen Umwelt und Klima für eine Branchenethik, die sich die Frage stellt, wie können wir in den aktuellen Strukturen als Kommunikationsbranche überhaupt "ethisch" sein und was bedeutet das konkret?
Und was ist die Lösung in Sachen Selbstschutz oder self-protection, wie Sie das bezeichnen?
Es gibt in der PR-Forschung das von Kerstin Thummes und Jens Seiffert-Brockmann etablierte Konzept der "self-deception" von Kommunikationsarbeiter*innen. Grob gesagt geht es dabei darum, dass PR-Praktiker*innen sich selbst täuschen, wenn sie ethische Grenzen überschreiten, um etwa kognitive Dissonanzen zu bearbeiten und ein positives Selbstbild aufrechtzuerhalten. Ein Ergebnis meiner Arbeit ist, dass diese "self-deception" auch "self-protection" ist: Wir konstruieren uns einen Sinn für die Dinge, die wir tun, um unsere psychische Gesundheit zu schützen und leistungsfähig zu bleiben.
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Meine bevorzugte Social Media Plattform ist … TikTok, die perfekte Mischung aus Twitter und YouTube.
Meine Stärke ist ... Ich habe gerade meine Frau gefragt und sie sagt, dass ich gut die Ruhe bewahren kann, wenn's stressig wird.
In diesen Kommunikationsdisziplinen kenn ich mich besonders gut aus ... Unser Beruf ist keine harte Wissenschaft und ich habe immer noch oft das Gefühl, nicht so genau zu wissen, was ich mache.
Wenn ich nicht in der Kommunikation arbeiten würde, dann wär ich das geworden ... Als Kind wollte ich durch die Universum-Dokus inspiriert Zoologe werden, Nashörner in Afrika studieren und so. Hab dann aber doch irgendwas mit Medien studiert.
Dieses Buch liegt derzeit auf meinem Nachkästchen … Ich habe unlängst "Marx in the Anthropocene" von Kohei Saito gelesen und dieses Buch zu meiner gesamten Persönlichkeit gemacht. Ich kann allen Kommunikationsprofis nur empfehlen, sich im Detail mit der Biodiversitäts-, Umwelt- und Klimakrise auseinanderzusetzen. Das ist brutal und niederschmetternd, aber gerade in unserer Position wichtig. Die Kommunikationsbranche steht strukturell in der Nähe derjenigen, die große Macht und große Verantwortung tragen.
Diesen Podcast hab ich zuletzt gehört ... Ich bin nicht so der Podcast-Typ, manchmal gönn ich mir "Tech Won't Save Us".
Diese drei Dinge nehme ich auf die einsame Insel mit ... mein Handy, einen WLAN-Würfel und einen Fußball.
Diese drei Worte fallen mir zum Begriff „Kommunikation" ein ... Alles wird gut.
Christoph Heshmatpour hat ursprünglich ein Diplomstudium in Romanistik an der Uni Wien abgeschlossen. Parallel dazu absolvierte er den Bachelor und anschließend das Masterstudium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, beides ebenfalls an der Universität Wien. Er ist Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit & Servicebüro im Klimaschutzministerium. Inspiration für seine Arbeit bezog er, abgesehen vom Buch "Bullshit Jobs" des Anthropologen David Graeber, auch aus einigen persönlichen beruflichen Erfahrungen und Gesprächen mit Branchenkolleg*innen. Trotz anfänglicher Skepsis gegenüber dem Thema unterstützte seine Betreuerin Sabine Einwiller ihn bei seiner Arbeit und ermutigte ihn schließlich, diese für den Franz-Bogner-Wissenschaftspreis für PR einzureichen - mit Erfolg.
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